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LG Gießen pro Gesellschafter

 
Das Landgericht Gießen hat mit Urteil vom 06.03.2012 (AZ: 3 O 284/11) eine für Investoren in geschlossene Immobilienfonds bedeutsame Entscheidung getroffen.
Es handelte die sich um zwei Immobilienfonds, die ein Privatanleger in den 90er Jahren gezeichnet hatte.
Nach einem Zeitraum von bald 15 Jahren wollte sich der Anleger von seiner Beteiligung trennen und kündigte die Beteiligung. Die Geschäftsführung der Fondsgesellschaft errechnete ein Abfindungsguthaben, welche sie entsprechend dem Gesellschaftsvertrag in fünf jährlichen Raten zur Auszahlung zu bringen hatte. Eine solche Klausel ist durchaus üblich und wird von Rechtsprechung akzeptiert.
Darüber hinaus hatten die Fondsinitiatoren allerdings noch eine weitere Klausel in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen, wonach die Gesellschaft berechtigt sein sollte, die Auszahlung der Raten zu verweigern, soweit dies nach der Liquiditätslage der Gesellschaft geboten sein sollte. Unter Berufung auf diese Klausel wurden die Zahlungen von der Fondsgesellschaft lapidar eingestellt.
Dadurch war nach Auffassung unserer Kanzlei die an sich vollwertige Forderung auf das Abfindungsguthaben im Ergebnis zu einer nachrangigen Forderung degradiert worden. Wir hielten die Klausel für nichtig. Unsere Auffassung teilte ganz offensichtlich das Landgericht Gießen in seiner von der Fondsgesellschaft nicht angefochtenen Entscheidung vom 06.03.2012. Die Fondsgesellschaft wurde verurteilt, an den Kläger die fällige Jahresrate in Bezug auf sein Abfindungsguthaben zur Auszahlung zu bringen. Darüber hinaus wurden dem Kläger umfangreiche Rechte auf Einsichtnahme in die Geschäftsbücher gewährt, da bei diesem zwischenzeitlich Misstrauen in Bezug auf die ordnungsgemäße Abrechnung entstanden war.
Das Landgericht Gießen begründet seine Auffassung damit, dass die Regelung im Gesellschaftsvertrag, welche der Gesellschaft die Aussetzung der Auszahlung des Abfindungsguthabens ermöglichen soll, nach § 723 Abs. III BGB unwirksam ist. Nach dieser Vorschrift ist eine gesellschaftsvertragliche Regelung unzulässig, durch an diese derart schwerwiegende Nachteile geknüpft werden, dass die Freiheit des Gesellschafters, von seinem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen, unvertretbar eingeengt wird. Dies ist nach Auffassung des Landgerichts hier der Fall, weil durch die Klausel die nichteingeschränkte Möglichkeit besteht, die Raten des Auszahlungsguthabens zu kürzen und den Zeitraum der Auszahlung zu verlängern. Dies sei ein schwerwiegender Nachteil für den Gesellschafter, der auch durch die ihm eingeräumte Verzinsung nicht ausgeglichen werde. Das Landgericht folgt somit der Argumentation unserer Kanzlei.
Durch dieses Urteil zeigt das Landgericht Gießen eine deutliche Grenze auf in Bezug auf die bei geschlossenen Beteiligungen zu beobachtende Tendenz, die Rechte von Anlegern durch den Gesellschaftsvertrag derart zu begrenzen, dass diese im Ergebnis keine realistische Möglichkeit mehr haben, sich von ihren Beteiligungen zu trennen.
Gerade bei einem geschlossenen Immobilienfonds besteht auf Seiten der Initiatoren sehr häufig das Interesse, diese Gesellschaften immer weiter am Leben zu erhalten und eine Liquidation durch Verkauf des Immobilienvermögens zu verhindern. Denn von einer solchen Fondsgesellschaft leben die sie betreuenden Geschäftsführer und Treuhänder. Diese Einnahmequelle versiegt natürlich, wenn der Fonds beendet wird.
Zugleich geht aber das Interesse der Anleger sehr häufig dahin, auch wegen zukünftig zu erwartender Nachschlussverpflichtungen ihre Beteiligung zu beenden und möglichst nicht ein unberechenbares unternehmerisches Vehikel mit einem potentiellen Haftungsrisiko an ihre Erben weiterzugeben.
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